Über schlechtes Gewissen und Schuldgefühle in der Schwangerschaft •
Das schlechte Gewissen oder Schuldgefühle sind häufige Wegbegleiter in einer Schwangerschaft. Wenn dann Frauen auch nicht mehr tun können, was sie möchten und aus medizinischen Gründen liegen müssen, läuft alles anders und man selbst läuft gar nicht mehr!
Die gewohnten Strukturen in den Bereichen: Partnerschaft, Arbeit, Freizeit und soziales Umfeld fallen weg bzw. werden massiv eingeschränkt. Ein gesunder Ausgleich ist kaum mehr gegeben. Die Partnerschaft wird sehr gefordert und zusätzlich zu den Symptomen in der Schwangerschaft kommen Belastungen im psychischen und physischen Bereich. Da in dieser Situation vieles alleine nicht mehr zu schaffen ist, entstehen zusätzlich belastende Abhängigkeiten.
Ist das Schlagobershauberl nun das schlechte Gewissen dem Ungeborenen gegenüber oder vielleicht doch eher den anderen, also den gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber?
Wie entsteht nun eigentlich ein schlechtes Gewissen?
Häufig entsteht schlechtes Gewissen aufgrund familiärer, durch Erziehung geprägter und gesellschaftlicher Erwartungshaltungen. Unsere Psyche installiert diese Prägungen bzw. die tatsächlich an uns heran getragen Erwartungen in Form von Vorwürfen, Ansprüchen oder Ähnlichem. Erschwerend kommt perfektionistisches Verhalten dazu, dessen Wurzeln in einem schwachen Selbstwert liegen.
Oft hört man den Satz: „Du bist Schuld.“ Doch Schuld und schlechtes Gewissen müssen differenziert betrachtet werden, denn der Schuldbegriff ist ein kirchlich und auch aus der Geschlechterhistorie geprägter Begriff, den viele Menschen leider noch intrapsychisch integriert haben.
In der Fachliteratur gibt es zwei Typen von Schuldgefühlen
Das unangemessene Schuldgefühl
Hierbei entspricht die Reaktionsstärke nicht dem verursachenden Auslöser und das Gefühl ist sehr stark und der Situation nicht angepasst. In diesem Fall wäre es empfehlenswert abzuklären, ob vielleicht eine Angsterkrankung oder Depression vorliegen.
Das angemessene Schuldgefühle
Die Reaktion entspricht dem Auslösereiz, denn angemessene Schuldgefühle sind für unsere Gesellschaftsform nützlich. Sie motivieren die Menschen sich an Regeln zu halten und helfen so, dass sie zum Beispiel nicht straffällig werden.
Ich persönlich distanziere mich vom Terminus „angemessenes Schuldgefühl“ und möchte es lieber als die Fähigkeit sich an Regeln zu halten, als Regelbewusstsein, als Integrationsfähigkeit oder als reifes Verhalten eines gesunden Erwachsenen bezeichnen.
Schuldgefühle in der Schwangerschaft
Eine Geburt ist für jede Familie eine neue und ungewohnte Situation. Das Baby und seine Eltern dürfen sich erst einmal kennen lernen. Die Schwangerschaft, die Geburt und die unmittelbare Zeit danach wird von unterschiedlichen körperlichen und seelischen Faktoren beeinflusst. Viele Frauen sind überfordert mit dieser neuen Situation und entwickeln ein schlechtes Gewissen. Empfehlenswert ist der Austausch mit anderen Frauen und die Belastung anzusprechen.
Werdende und junge Mütter fühlen sich häufig schuldig, weil sie nicht dem Bild einer glücklichen Schwanger bzw. Mutter entsprechen. Dies wird häufig noch durch den Gruppenzwang in Vorbereitungs-, Still-, oder Spielgruppen verstärkt. Diese belastenden Themen sollten immer offen und wertschätzend angesprochen werden. Denn nur so können betroffene Frauen feststellen, dass sie kein Einzelfall sind und dass es vielen Frauen so geht.
Diese belastenden Gefühle werden häufig von Ängsten begleitet. Dabei muss aber eingeräumt werden, das adäquate Ängste ganz normal sind, denn sie schützen uns und bereiten uns z.B. auf die Geburt vor. Wenn jedoch Ängste und Schuldgefühle übersteigert wahrgenommen werden, ist eine psychotherapeutische Unterstützung angeraten.
Hier ein paar Tipps, die helfen können:
- Austausch mit Gleichgesinnten in einem offenen und respektvollen Rahmen.
- Bewusstwerdung: Perfekt geht nicht.
- Bewusstwerdung: Kinderseelen verzeihen bei liebender und konstruktiver Zuwendung (auch pränatal).
- Ängste und schlechtes Gewissen einfach akzeptieren, dann werden sie schwächer. Denn je mehr man sie wegschiebt umso „lauter“ werden unangenehme Gefühle.
- Anschließend sich mit Positivem umgeben oder beschäftigen, denn dabei bekommt das Gehirn andere Impulse und die Stimmung hebt sich.
- Begleitung durch wertschätzende und stützende Hebammen und GynäkologInnen
- Präventive Psychotherapie zur Steigerung des Selbstwertgefühls und der Bewusstwerdung: Ich bin eine gute (werdende) Mutter, gerade weil ich nicht perfekt bin!
Autorin • Dr. Melanie Esterl, MEd
Systemische Psychotherapie • Traumatherapie • Kinder- und Jugendtherapie
Stand der Information • Februar 2020
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