Mariella.

32 Jahre.

Muttermundschwäche.

24. SSW Cerclage.

90 Tage strikte Bettruhe.

40. SSW Geburtseinleitung und Notkaiserschnitt.

Der Start

Es war ein ganz normaler Ultraschall in der 22. SSW. Ich sollte an diesem Tag das Geschlecht von unserem Kind erfahren. Diesen Tag werde ich nie vergessen. Gleich zu Beginn wurde der Gebärmutterhals gemessen. Er war mit 20 mm ersichtlich kurz. Zwar war die Messung im untersten Bereich des Normalwertes, dennoch meinte der Arzt emotionslos, dass ich ein Risiko für eine Frühgeburt hätte. Näheres sollte ich mit meinem behandelnden Gynäkologen besprechen. Der Rest des Ultraschalls ist wie eine Wolke am Himmel vorbeigezogen. Nur das Wort Frühgeburtenrisiko schwirrte mit einem lauten Echo durch meinen Kopf. „Warum, Wieso, Weshalb … ich hatte doch keinerlei Symptome oder Schmerzen … wie kann mir nur so etwas passieren?“ Viele Gedanken rasten durch meinen Kopf.
Ach ja, es war ein Bub. 😉

Die ersten Kilometer

Ich wurde für zwei Wochen von der Arbeit freigestellt, durfte mich allerdings zu Hause frei bewegen, und sollte nur ein bisschen leiser treten. Dann folgte ein Kontroll-Ultraschall. Der Gebärmutterhals hatte sich auf 11 mm reduziert. Diagnose: Muttermundschwäche. Zwei Tage später war ich am Operationstisch für eine Not-Cerclage, bei der der Gebärmutterhals zugeschnürt wurde. Ich bekam Cortisonspritzen um die Lungenreifung meines Sohnes anzukurbeln, und im Falle einer Frühgeburt seine Überlebenschance zu erhöhen. Und natürlich musste ich strikte Bettruhe einhalten. Ich durfte nur aufs WC gehen, duschen, Arztbesuche erledigen, 20 min am Tag aufrecht sitzen – sonst nur im 45° Winkel – und natürlich auf allen Seiten liegen.

Anfangs durfte ich noch mit dem Rollstuhl hinaus an die frische Luft und in den Park. Die Rollstuhlfahrten sind mir allerdings nach 2 Wochen wieder gestrichen worden. Ich war darüber sogar recht froh, denn ich habe es gehasst mit meinem schwangeren Bauch darin zu sitzen. Ich kam mir krank vor. Immer das Gefühl, als ob ich alle Gedanken der Menschen, die mich im Rollstuhl sahen, lesen konnte … wie große Sprechblasen über ihren Köpfen.

Ich fühlte mich verloren, ängstlich, unsicher und unverstanden. Warum das Ganze? Warum ich? So ganz aus dem Nichts heraus … Meine Nächte wurden lange und meine Tage noch länger …

Der Dauerlauf: 90 Tage im Bett

Es war eine harte und herausfordernde Zeit für mich und meine Familie: Mein aktives Leben war auf einmal vorbei. Es ging nicht mehr nur um mich, sondern um ein neues Menschenleben, das in meinem Körper heranwuchs. Ein neues Leben, das ich vielleicht zu früh gebären oder verlieren könnte. Ich konnte mit dieser Verantwortung anfangs nur schwer umgehen. Mein Mann erstarrte vor Stress und viele meiner Freunde wussten genauso wenig, wie sie mit meiner Situation umgehen sollten.

Hilfe erhielt ich von meiner Mutter und meiner Schwägerin. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich im Ausland. Meine Mutter reiste auf die andere Seite der Erde, um bei mir zu sein, da ich Betreuung brauchte. Ich durfte anfangs nicht einmal aufstehen, um mir einen Tee zu machen, geschweige denn ein Essen zu kochen … Meine Mama war mein Engel auf Erden! Sie hat mich in jeder Facette der vielen Höhen und Tiefen von meinem 90 Tage-Bettruhe-Marathon unterstützt. Vor allem emotional – sie war der Fels in der Brandung, sie hat mich aufgeheitert und mit leckerem Essen versorgt. Mamas sind einfach die Besten 🙂

Auch meine Schwägerin, die einen frühzeitigen Blasensprung mit einer Frühgeburt in der 26. SSW erlebt hatte, besuchte mich regelmäßig und war mir eine mentale Stütze.

So habe ich diesen Marathon bewältigt?

Es war eine intensive Reise zu mir und meinem ungeborenen Sohn. Aller Fokus war nach innen gerichtet, abgeschnitten vom Alltagsgeschehen und der Gesellschaft.

Meditation und Kunst

Täglich  zu meditieren hat mich gerettet: In meinen Meditationen habe ich viel Vertrauen gewonnen, sowie einen bewussten Weg der Kommunikation mit meinem Baby gefunden. Ich wusste, dass es ihm blendend ging, dass er gesund und glücklich wuchs. Stress und Ängste konnte ich so abbauen. Ich hatte viele Ängste, die ich zuvor gar nicht von mir kannte. Die Meditationen stärkten meine innere Ruhe und mein Urvertrauen. Und sie brachten Routine in meine langen Tage.

Malen und meiner künstlerischen Kreativität wieder Raum zu geben hat mir auch geholfen. Viele Bilder und Mandalas sind in dieser Zeit entstanden. Diesen kreativen Prozess konnte ich mit meinen Meditationen verbinden.  Ich malte das, was ich in der Meditation erlebte. Nicht das Ergebnis sondern das Erlebnis stand dabei im Mittelpunkt. Der seelische Prozess, den ich auf diese Weise kreativ ausdrücken und verarbeiten konnte. Rückblickend ist diese Serie sehr berührend und zeigt bewegte Bilder.

Gedanken niederschreiben

Meine Gedanken und Sehnsüchte musste ich auch aufschreiben, denn ich konnte sie nicht mehr bei mir behalten. Mein Kopf hatte nur begrenzt Platz dafür, sonst wäre ich verrückt geworden.

Telefonieren

Telefonieren mit meinen vielen Freundinnen, die auf der Welt verteilt sind, war mir auch eine Stütze. Mit der Zeitverschiebung war immer jemand zu erreichen.

Musiktherapie

Eine Freundin, Musiktherapeutin und Psychologin, machte mit mir Musiktherapie für Schwangere bei mir daheim. Sie kam immer mit einer großen Box mit verschiedensten Instrumenten – das Regenholz und die Kalimba waren meine Lieblingsinstrumente. In der Musiktherapie konnte ich viele Prozesse zum Ausdruck bringen und verarbeiten. Ich konnte auch Kraft tanken und meinen Körper mit der Schwingung der Musik lebendig fühlen lassen.

Massagen

Ich habe mir auch hin und wieder Massagen gegönnt, denn nach ein paar Wochen liegen und mit einem immer größeren Bauch hatte ich viele Schmerzen. Natürlich alles mit Home-Service.

Internet surfen

Das Internet hatte ich natürlich als engsten Freund gewonnen und viel recherchiert, vor allem zu den unterschiedlichsten Schwangerschaftsthemen und zu meiner Diagnose. Dr. Google kann allerdings sehr furchterregend sein, besonders wenn man mehr über seine Schwangerschaftskomplikation erfahren möchte. Eine App informierte mich  täglich über die Veränderungen des heranwachsenden Babys.

Und jede Woche, die mein Sohn länger im Mutterleib war, wurde gefeiert!

Folgende hilfreiche Gegenstände erleichterten mir den Alltag:

  • Beistelltisch für das Bett
  • Trinkflasche mit Sportverschluss, um im Liegen trinken zu können
  • Rund-Sitzkissen, dass mein Steißbein beim Sitzen entlastete
  • Frühstücks-Tisch für Mahlzeiten im Bett
  • Höhenverstellbarer Laptop-Tisch
  • Schwangeren-Stillkissen zum seitlichen Liegen

Am Ziel!

Ende der 37. SSW würden mir die Nähte der Cerclage entfernt und es hätte dann jederzeit losgehen können. Jedoch verblüffte ich die Ärzte sowie alle meine Freunde und Familie. Denn nach dem langen „Brüten des goldenen Eies“ musste die Geburt Ende der 40. SSW eingeleitet werden. Nach 11 Stunden Geburtsverlauf mit starken Wehen kam es zu einem Notkaiserschnitt. Der Kaiserschnitt war dann die Draufgabe: bedeutete er doch zurück ins Bett mit unglaublichen Schmerzen vom langen Liegen und der frischen Wunde. Ich brauchte lange, um wieder zu körperlichen Kräften zu kommen.

Aber der Moment, als ich unseren Sohn endlich in den Armen hatte, war einfach überwältigend.  Mit der Geburt sind die 90 Tage Bettruhe ganz schnell verblasst.

Jemals wieder schwanger?

Würde ich mir das noch einmal zumuten wollen? Diese Schwangerschaft hat meinen unmittelbaren Wunsch auf ein weiteres Kind mit vielen Fragezeichen in Ungewissheit gebracht. Allerdings folgte ganz unerwartet nach 13 Monaten eine zweite Schwangerschaft.

Aber dies ist eine andere Geschichte und über diese Schwangerschaft erzähle ich in einem anderen Blogbeitrag.

Weitere hilfreiche Tipps findest du unter: Schonung & Bettruhe

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Autorin: Mariella Gebhardt